Zum Rücktritt des Stadtschulsprechers

Leserbrief an die Offenbach-Post

November 2014

Was der ehemalige Stadtschulsprecher berichtet, ist erschreckend. Unsere Gesellschaft muss sicherstellen, dass jede/r Funktionen wahrnehmen und sich in der Öffentlichkeit bewegen kann, ohne belästigt, beleidigt oder gar mit Todesdrohungen belegt zu werden.

Widersprechen möchte ich jedoch Max Bonifers Einschätzung, über die Hälfte der muslimischen Jugendlichen in Offenbach sei "nicht integrierbar". Ich habe als Diplom-Pädagoge und Berufsschullehrer in 35 Jahren mehr als 500 muslimische Schülerinnen und Schüler unterrichtet, viele davon türkischer Herkunft, und teilweise auch ihre Familien kennengelernt. Meine Erfahrungen sind andere. Ich bin auf sehr viel Höflichkeit, Freundlichkeit und Warmherzigkeit gestoßen, die ich in einem deutsch geprägten Umfeld nicht immer in demselben Maße gefunden habe. Ich habe wissbegierige, kluge und empathische Schülerinnen und Schüler mit islamischem Hintergrund unterrichtet, die heute selber als Pädagoginnen und Pädagogen arbeiten. Die Begegnungen mit ihnen haben mich bereichert, und dafür bin ich dankbar.

Sicher habe ich auch Jugendliche kennengelernt, die unverschämt und beleidigend auftraten. Verglichen mit der Gesamtzahl, waren das Einzelfälle – und nicht mehr als bei Schülerinnen und Schülern aus anderen Kulturkreisen. Schlechtes Benehmen finden wir leider auch bei Deutschen. Immer wieder hörte ich von muslimischen Schülerinnen, Schülern und Eltern - besonders Frauen mit Kopftuch -, dass sie in der Öffentlichkeit angepöbelt, beleidigt oder bedroht worden waren, und zwar von Menschen ohne Migrationshintergrund.

Die ganz große Mehrheit der jungen Menschen aus islamischen Kulturkreisen ist in Offenbach gut aufgehoben und integriert und trägt zum Gelingen unseres Miteinanders bei, ob in der Schule oder am Arbeitsplatz. Nicht übersehen werden darf, dass es auch eine (prozentual ebenso geringe) Anzahl Jugendlicher ohne Migrationshintergrund gibt, die Schwierigkeiten hat, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, die kulturelle Vielfalt und Religionsfreiheit zulässt.

Offenbach ist, was Integration betrifft, besser als sein Ruf. Das ist der Verdienst der hier lebenden Menschen. Kleine Minderheiten auf beiden Seiten versuchen zu stören. Man sollte ihnen nicht zu viel Macht einräumen.

Michael Köditz, Berufsschullehrer in Offenbach (Offenbach-Post vom 5. November 2014)