Südhessische Lehrkräfte fordern 250 Millionen Euro Sofortprogramm für Schulen

Tausende Kolleginnen und Kollegen überlastet

"In den Regierungsjahren von Schwarz-Grün sind in Hessen mindestens 290 Überlastungsanzeigen von Einzellehrkräften oder ganzen Kollegien beim Hessischen Kultusministerium eingegangen, davon mindestens 190 aus Südhessen. (Quelle: LT Drucksachen 19/2187, 19/3432, 19/5034, 19/6566. Aus eigenen Recherchen wissen wir von nicht in der Statistik des Kultusministeriums erfassten Überlastungsanzeigen, daher stellen die Zahlen nur Mindestwerte dar.)
Mit anderen Worten: Wir, tausende südhessische Lehrkräfte, appellieren seit Jahren an unseren Dienstherrn, Kultusminister Lorz (CDU), seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, und das Grundrecht auf Bildung aller hessischen Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen.
Durch zu hohe Arbeitszeit, zu große Lerngruppen, Arbeitsverdichtung, fachfremde Aufgaben, zu wenig und noch dazu oft nicht für den Schulbereich qualifiziertes Personal sowie eine marode, gesundheitsgefährdende Schulinfrastruktur besteht eine unvertretbar hohe Arbeitsbelastung im Lehrerberuf.
Diese führt häufig zu dreierlei: Erstens leidet die Unterrichtsqualität erheblich. Neben nicht ausgebildetem Personal vor der Klasse bemängeln wir v.a. fehlende Zeit für Unterrichtsvor- und -nachbereitung, Binnendifferenzierung sowie individuelle Zuwendung gerade in großen Klassen bei Lernenden mit erhöhten Bedarfen bzw. kaum Deutsch sprechenden Schülerinnen und Schülern.
Zweitens entscheiden sich Kolleginnen und Kollegen notgedrungen unter Verzicht auf Bezüge und Pension, in Teilzeit zu arbeiten, um das Pensum zu schaffen. Ein weiteres Problem: Viele weitere nicht teilbare Dienstpflichten (z.B. Konferenzteilnahme) bleiben bestehen und die Teilzeit wird zur Mogelpackung. Hinzu kommt, dass mittlerweile aufgrund des Lehrkräftemangels im Bereich der Grund- und Förderschulen Anträge auf Teilzeit vermehrt abgelehnt werden, wodurch die psychische und physische Gesundheit der Kollegien weiter negativ beeinträchtigt werden wird. Was zur dritten Auswirkung führt: Hohe Krankenstände - der Teufelskreis schließt sich.
Das Gemeingut Bildung wird unter Vorspiegelung des genauen Gegenteils von den Regierenden sukzessive ruiniert. Demgegenüber stehen aktuell fast 2 Milliarden Euro, die das Land Hessen unmittelbar in das öffentliche Vermögen investieren könnte – ohne Steuererhöhung.
(1,1 Mrd. Euro Rücklage für potenziell geminderte Steuereinnahmen des Bundes (im schwarz-roten Koalitionsvertrag sind keine Steuererleichterungen mit Konsequenzen für die Länder festgeschrieben), 585 Mio. Euro durch die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, 200 Mio. Euro Schuldennettotilgung unter dem Stichwort „Generationengerechtigkeit“ - allein die Schuldenbremse ermöglicht schon eine größere Tragfähigkeit der Staatsverschuldung, statt Tilgung sollte jetzt in Generationengerechtigkeit investiert werden.)

Die Aktionskonferenz der GEW-Südhessen fordert daher im Hinblick auf die Landtagswahl in Hessen:
Mindestens 250 Millionen Euro Sofortprogramm für die hessischen Schulen!

  • 80 Millionen Euro für Arbeitszeitverkürzung (zunächst auf Niveau der 40-Std. Woche der Tarifbeschäftigten, d.h. minus eine halbe Pflichtstunde, langfristig deutliche Pflichtstundenreduzierung) und eine spürbare Erhöhung der Schuldeputate (u.a. zur Mentorenentlastung und für die Anerkennung gestiegener Aufgaben)
  • 70 Millionen Euro für die Aufwertung des Grundschullehramts durch Besoldung nach A13 (sichert in Zeiten des Fachkräftemangels neben längst überfälliger Anerkennung auch die Attraktivität des Berufs – Brandenburg macht‘s seit 1.8.18 vor)
  • 50 Millionen Euro für echte Ganztagsschulen (mehr Personal in multiprofessionellen Teams in angemessenen Räumlichkeiten mit demokratisch entwickelten pädagogischen Konzepten und voller Pflichtstundenanrechnung aller Angebote)
  • 50 Millionen Euro für das Menschenrecht auf Inklusion (entspricht im ersten Schritt jeweils 300 Förderschullehrer*innen- und Sozialpädagog*innenstellen für das 3:1:1 Modell, in dem pro 3 Regelschulklassen eine Förderschul- und eine sozialpädagogische Fachkraft zur Verfügung stehen, Erfahrungen des Gemeinsamen Unterrichts berücksichtigen)
  • Kleinere Klassen schaffen! In allen Belastungsstudien spielt die Klassengröße für Lehrkräfte eine zentrale Rolle!
  • Schulsanierung und bessere Ausstattung durch weitere Landesprogramme für die Kommunen sichern. Gesetzliche Mindeststandards zur Einrichtung und Ausstattung von Schulgebäuden nach zeitgemäßen ökologischen Standards festlegen. Partizipativer Umgang mit Kolleg*innen bei Sanierung, Neu- und Umbauten.

Spürbare Entlastung und Wertschätzung der Lehrkräfte bedeuten direkte Investition in deren Gesunderhaltung und damit in die Unterrichtsqualität – ein hoher gesamtgesellschaftlicher Nutzen bei vergleichsweise geringen Kosten.
Gute Bildung jetzt! - Aufwertung des Lehrer*innenberufs sofort!"

Einstimmig verabschiedet auf der Aktionskonferenz der Personalräte und Vertrauensleute des GEW Bezirksverbands Südhessen am 22.08.2018