Warum erhalten die 50-65jährigen Lehrkräfte in Hessen zum 1.8.2017 keine Arbeitszeitverkürzung von einer halben Pflichtstunde?

Dass für die Lehrkräfte ab 50 Jahren im Pflichtstundenentwurf keine halbe Pflichtstunde Verkürzung vorgesehen ist, hängt damit zusammen, dass diese Lehrer*innengruppe bei der Aktion "düstere Zukunft" im Jahr 2004 unter Roland Koch auch nicht mit der vollen Arbeitszeiterhöhung für Beamt*innen von 40 auf 42 Stunden pro Woche belastet wurde, sondern die Arbeitszeit 'nur' auf 41 Zeitstunden pro Woche erhöht wurde. In Pflichtstunden umgerechnet erhielt diese Altersgruppe eine Arbeitszeiterhöhung von einer halben Pflichtstunde (1/2 „Kochstunde“), die 60jährigen Lehrkräfte blieben von der Arbeitszeiterhöhung („Kochstunde“) ganz verschont, den Lehrkräfte unter 50 Jahren wurde aber eine volle Pflichtstunde aufgedrückt.
Wenn ab dem 1.8.2017 nach dem Entwurf der neuen Pflichtstundenverordnung nun alle Lehrkräfte unter 50 Jahren ½ Pflichtstunde weniger arbeiten müssen, bewirkt das eine Gleichstellung der jüngeren Lehrkräfte (unter 50) gegenüber den älteren, denn die jüngeren wurden unter Kochs Arbeitszeitverlängerung mehr belastet als die Altersgruppen ab 50 Jahren.
Alle hessischen Beamt*innen haben ab dem 1.8.2017 - unabhängig vom Alter - eine wöchentliche Arbeitszeit von 41 Wochenstunden. Hinzu kommt die jährliche Anrechnung einer ½ Pflichtstunde pro Woche (≅ 1 Zeitstunde) auf ein Lebensarbeitszeitkonto bis zum Alter von 60 Jahren, was - umgerechnet - dann für alle Beamtinnen und Beamten eine - rechnerische - Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bedeutet, auch wenn man von der Anrechnung auf ein Lebensarbeitszeitkonto in den meisten Fällen nicht zeitnah profitiert, wie es dringend nötig wäre. Für die Beamten ab 60 macht eine Anrechnung auf ein Lebensarbeitszeitkonto keinen Sinn, denn sie haben bereits die 40-Stunden -Woche, in Zeitstunden ausgedrückt.
Den 50-60 jährigen Beamt*innen wurde die Anrechnung auf ein Lebensarbeitszeitkonto bisher nicht gewährt, sondern nur der Altersgruppe unter 50 Jahren. (Diese Anrechnung gilt ab 2012 rückwirkend für den Unterrichtseinsatz ab 2007). Von daher ist die neue Pflichtstundenregelung für die 50-60 Jährigen durch die Berücksichtigung bei der Anrechnung auf ein Lebensarbeitszeitkonto eine geringfügige - wenn auch wenig spürbare - Verbesserung.
Im Übrigen gab es von 1998 bis 2008 auch eine Pflichtstundenerhöhung von KuMi Holzapfel um eine Stunde für alle 35-50jährigen Lehrkräfte zwecks Bewältigung des akuten Lehrermangels, die ab 2008 alle Lehrkräfte sukzessive zurückbekommen konnten - als Zeitausgleich oder finanzielle Abgeltung. Für die Rückgabe der Mehrarbeitsstunden musste man aber das Alter von 50 Jahren erreicht haben. Diesen Ausgleich können auch heute noch einzelne Lehrkräfte in Anspruch nehmen, nämlich die, die 1998 erst 35 Jahre alt waren, damals 10 Jahre lang eine Stunde Mehrarbeit leisten mussten und diese Stunde seit 2013 (50 Jahre alt geworden) 10 Jahre lang zurückbekommen, es sei denn, sie haben sich für den finanziellen Ausgleich entschieden. So kann es vorkommen, dass jemand noch bis längstens 2023 die „Holzapfelstunde“ verrechnet bekommt, wenn er 1998 gerade 35 Jahre alt war.
Die in § 9 der Pflichtstundenverordnung geregelte Altersentlastung wird nicht verändert: Ab dem nach Vollendung des 55. Lebensjahres folgenden Schuljahr wird eine Pflichtstunde, nach Vollendung des 60. Lebensjahres werden ab dem darauf folgenden Schuljahr zwei Pflichtstunden Ermäßigung gewährt. Bedingung ist aber eine Unterrichtstätigkeit von mehr als 3/4 der jeweiligen wöchentlichen Pflichtstundenzahl, was nicht unbedingt gerecht, aber nicht neu ist.
Ruth Storn